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  • AutorenbildNM.

Aufstand im Küchenschrank














Die Teller stehen sich Schrank gegenüber und flüstern über den Rand. Das Dekor versammelt sich zur Unabhängigkeitskundgebung und fordert die trüben Tassen auf, ihre Untersetzer nicht zu verlassen. Doch die fühlen sich ungerecht behandelt und henkeln einen Plan aus. Sie sind schliesslich die am meisten gebrauchten Gefässe, wer könnte sie übergehen, wo sie doch buchstäblich an den Mündern hängen und sprachlich mindestens so gewandt sind wie die Schaumtrinker und Schlagschlürfer.


Die Obertasse mit dem wilden Maul stachelt die Gesinnungspötte – und das sind viele, also alle: runde, dickbauchige, schlanke, hohe, kleine, mit und ohne Zier – sie stachelt also alle an, einen Bruch zu wagen. Einen gemeinsamen Bruch. Eine Bruchperformance. Aber nicht etwa im Schrank, nein, nicht im Verborgenen, sondern draussen auf den Tischen und Bänken, den gelebten setzenden Untergründen der Standhaftigkeit. Hier, wo eisern Tee getrunken und Kaffee mit lauwarmer Unaussprechlichkeit geschlürft wird. Hier sollen die Scherben brechen und den unaufhaltsamen Ruf nach Gerechtigkeit aus dem Küchenschrank ins Oberstübchen tragen. Also schlagen. Denn wenn’s schmettert, ist auf einen Schlag das Licht aus. Da können die Teller und Tellerinen noch so sehr um ihr Dekor weinen.

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